Hallo ihr Lieben,
wisst ihr noch meine Rezension zu Daniel, mein jüdischer Bruder? Nein? Dann schaut mal schnell hier her ->
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Ich hatte das Glück die Autorin Marianne J. Voelk zu interviewen. Eine richtig klasse Frau, die viel erlebt hat und uns noch einen weiteren Einblick in ihr Leben schenkt.
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Marianne wie sie heute aussieht |
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Marianne liest in Leipzig aus dem Buch: Daniel, mein jüdischer Bruder |
Nicole: Hallo Marianne, ich danke dir von Herzen, dass du dir Zeit für mich nimmst. Meine erste Frage an dich: Wie kommt es, dass du in dem Buch Rosalie genannt wirst?
Marianne: Ich wurde an Pfingsten zur Zeit der Pfingstrosen geboren. Darum wollten meine Eltern mir einen Namen geben, in dem die Rose enthalten ist.
Nicole: Wie kam es zu der Freundschaft zwischen deiner Familie und der jüdischen Familie Rosenholz?
Marianne: Weil unsere Familien Nachbarn waren, begegneten sich meine Mutter und Daniels Mutter häufig auf der Straße und beim Spazierenfahren ihrer Babys. So kamen sie ins Gespräch und luden sich gegenseitig ein, damit Daniel und ich zusammen spielen konnten. Als sich herausstellte, dass unsere Eltern alle ein Instrument spielen konnten, trafen sie sich regelmäßig, um gemeinsam zu musizieren. So entstand eine sehr feste Freundschaft. Unsere Familien haben sich auch gegenseitig zu religiösen Festen eingeladen.
Nicole: Als die Freundschaft mit Juden verboten wurde, wie konntet ihr weiterhin zusammenkommen?
Marianne: Unsere Familien feierten miteinander ihre Feste bei Eva, der Freundin meiner Mutter. Außerdem erfand mein Vater einen Trick, wie wir ohne Aufmerksamkeit zu erregen, von einem Haus zum anderen huschen konnten. Das wird im Buch ausführlich beschrieben.
Nicole: Als Daniels Eltern deportiert wurden, konnte Daniel fliehen und deine Familie hat ihn aufgenommen. Wie hat sich Daniel bei euch eingelebt? Wie hat er den Verlust seiner Eltern verkraftet?
Marianne: In den ersten Monaten hatte er fast jede Nacht schreckliche Albträume. Er schrie und weinte im Schlaf. Tagsüber sprach er sehr wenig; nur wenn man ihn etwas fragte. Es dauerte sehr lange, bis er etwas mehr aus sich herausging.
Nicole: Daniel musste doch versteckt werden und konnte nicht aus dem Haus. Wie hat er das ertragen?
Marianne: Ja, ein ganzes Jahr lang war er fast nur im Haus. Er las sehr viel und turnte in der Diele an der Schaukel. Aber manchmal verkleideten wir ihn als Mädchen. Meine Mutter schneiderte für ihn ein Dirndl und nähte die langen dunkelbraunen Zöpfe meiner Puppe an einen Strohhut. Mit Dirndl und Hut konnte ihn niemand mehr erkennen und wir wagten es, gelegentlich einen Ausflug mit ihm zu machen.
Nicole: Hattet ihr sehr unter Bombenangriffen zu leiden?
Marianne: Am Stadtrand waren wir noch einigermaßen sicher. Aber als meine Mutter und ich in der Stadt bei Tante Eva einen schweren Bombenangriff erleben mussten, zogen wir am nächsten Tag mit Sack und Pack sofort aufs Land. Die Unterkünfte waren schon lange vorbereitet.
Nicole: Du schreibst, dass Daniel in dem Dorf mit dir zur Schule und zur Hitlerjugend ging. Wie war das möglich?
Marianne: Tante Eva hatte als Kunstmalerin ihre Beziehungen. Sie besorgte für Daniel gefälschte Papiere und meine Mutter gab ihn als ihren Sohn aus. So wurde Daniel über Nacht zu meinem Bruder und ging mit mir in die Schule und später auch zur Hitlerjugend.
Nicole: Deine Haare waren hellbraun und deine Augen grün, aber Daniel hatte dunkle Haare und dunkelbraune Augen. Wunderte sich niemand über die mangelnde Familienähnlichkeit?
Marianne: Wir wurden oft daraufhin angesprochen, dass wir gar nicht wie Geschwister aussahen. Dann wiesen wir darauf hin, dass Daniel meiner Mutter ähnlich sah, die auch braune Augen und dunkelbraune Haare hatte, und dass ich nach meinem Vater ging. Damit gab sich jeder zufrieden.
Nicole: Gab es auch brenzlige Situationen für euch?
Marianne: Ja, sobald Daniel SA-Männer sah, fing er an zu zittern und wollte davonlaufen. Ich musste ihn festhalten und mit ihm weitergehen. Gottlob sahen wir auf dem Dorf kaum SA. Außerdem hatte Daniel bei der HJ noch das Problem mit Pipimachen bei Geländespielen und mit dem Singen von HJ-Liedern, die er hasste. Mutti gab ihm den Rat, Durchfall vorzutäuschen, damit sich keiner in seine Nähe wagte, und die Lieder sang er so falsch, dass er Singverbot erhielt.
Meine Mutter kam in eine sehr brenzlige Situation mit dem unsympathischen Landarzt. Als er nach Daniels Unfall herausbekam, dass er Jude ist, erpresste er sie. Sie sollte seine Geliebte werden, sonst würde er Daniel anzeigen. Während einer Aussprache zwischen den Beiden kam es zu Übergriffen des Doktors. Meine Mutter bekam ein Messer zu fassen und wehrte sich und plötzlich fiel der Doktor tot in sich zusammen. Das Ganze wird noch ausführlicher in meinem Buch beschrieben.
Nicole: Du hast in deiner Kindheit sehr viel erlebt. Du musst ja einen extremen Schutzengel gehabt haben. Wenn ich allein an diese Szene mit den Tieffliegern denke, bekomme ich Gänsehaut. Hast du diesen Schutzengel auch später noch erleben dürfen?
Marianne: Ja, es muss wohl einen Schutzengel geben, der mich ständig begleitet. Um ein Beispiel zu nennen: Als ich einmal bei Glatteis von der Autobahn ausfuhr, kam ich beim Einbiegen in die Landstraße ins Schleudern und brachte knapp an Bäumen vorbei das Auto zum Stehen. Zum Glück konnten entgegenkommende Autos rechtzeitig bremsen und ausweichen.
Nicole: Dein Vater war in Stalingrad vermisst. Hast du ihn jemals wieder sehen dürfen?
Marianne: Leider kehrte er nicht aus Russland zurück. Meine Mutter hoffte jahrelang auf seine Rückkehr.
Nicole: Wie ging es mit dem Amerikaner, der deine Mutter lieb gewonnen hat, weiter?
Marianne: Meine Mutter heiratete nicht Colonel Portman. Er ließ sich versetzen, als er einsah, dass sie ihn nicht wollte. Sie heiratete nach einigen Jahren einen deutschen Offizier, einen Oberst. Er war mir wie ein eigener Vater.
Nicole: Im Buch kommt es so an, dass du Daniel sehr lieb gewonnen hast. Wie war dir zumute, als Ruth ihn mit nach Amerika nahm?
Marianne: Ich war ganz krank vor Kummer und ich weiß, dass es Daniel genauso ging. Ich versprach, ihn in fünf Jahren zu besuchen. Wir hielten in der Zwischenzeit den Kontakt aufrecht, weil wir oft miteinander telefonieren konnten, denn von Amerika aus war es sehr billig.
Nicole: Hast du dein Versprechen, Daniel zu besuchen, einhalten können?
Marianne: Nach fünf Jahren hatte ich tatsächlich - wie geplant- das Reisegeld für Amerika zusammen. Ich konnte aber trotzdem nicht reisen, denn ich lernte die Liebe meines Lebens kennen - meinen Mann - und verlobte mich mit 17 Jahren.
Ich heiratete als ich 18 war und bekam nacheinander gleich zwei Söhne. Da ich eine liebe Mutter hatte, die sich um unseren Ältesten kümmerte und eine liebe Tante, die unseren kleinen Sohn inzwischen hütete, flog ich erst nach zehn Jahren nach Amerika. Es war schön, Daniel wiederzusehen. Er hatte eine reizende Verlobte und studierte Medizin wie seine Schwester.
Nicole: Was ist eigentlich mit Daniels Eltern geschehen? Kamen sie aus dem KZ zurück und hast du persönlich Abschied nehmen können?
Marianne: Daniels Schwester Ruth hatte Colonel Portman gebeten, sich nach dem Schicksal ihrer Eltern zu erkundigen. Ob sie jemals etwas gehört hat, weiß ich nicht. Ich scheute mich auch davor, Ruth zu fragen. Ich hatte einfach Angst davor, eine schreckliche Wahrheit zu erfahren.
Nicole: Wie konntest du an Gott festhalten, obwohl du durch solch schwierige Zeiten gehen musstest?
Marianne: Das war nie ein Problem für mich. Ich fühlte instinktiv, dass Gott uns auch wieder bessere Zeiten schicken würde.
Nicole: Was wünscht du dir am meisten, dass die Menschen aus deinem Buch mitnehmen?
Marianne: Ich wünsche mir am meisten, dass die Menschen einsehen, dass vor Gott alle Menschen gleich sind, egal welche Religion oder Hautfarbe sie haben und aus welchem Land sie kommen. Daher sollte sich keiner über den anderen erheben und auf ihn herabblicken.
Nicole: Was würdest du gerne der Welt heute sagen, damit die Geschichte sich nicht wiederholen wird?
Marianne: Leider wiederholt sich im Weltgeschehen alles immer wieder: Rassenhass, Völkermord, Gebietsansprüche usw. Daran konnten auch viel kompetentere Menschen als ich, wie Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela u. v. a. nichts ändern.
Nicole: Gibt es für dich etwas Kostbares, was du noch aus dieser Zeit bei dir hast?
Marianne: Die kostbarste Zeit, an die ich immer wieder denke, war die Zeit, die ich noch mit meinem Vater verbringen konnte. Ich war neun Jahre alt, als ich ihn das letzte Mal umarmen durfte.
Nicole: Wo hast du dein Buch denn eigentlich geschrieben?
Marianne: Den größten Teil habe ich im Urlaub in Tunesien an einem Gartentisch auf dem Laptop geschrieben, statt am Meer in der Sonne zu braten.
Nicole: Ich danke dir, dass du dir die Zeit für mich genommen hast und wünsche dir, dass noch viele Menschen deine Geschichte lesen, denn leider gibt es nicht mehr viele Zeitzeugen, und gerade diese braucht das Land heute dringender als noch als je zuvor.
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Der Blick im Winter aus Mariannes Zimmer. |
Der Verlag Brunnen hat für euch übrigens noch ein kleines Geschenk :)
Einer von euch, darf das Buch Daniel, mein jüdischer Bruder gewinnen. Dieses Buch ist mein Absolutes Aprilhighlight, irgendwie sogar mein Jahreshighlight 2016
Was sind die Bedingungen?
1) Ihr solltet in Deutschland leben
2) Das Gewinnspiel läuft ab Sonntag den 01.05.2016 am 09.05.2016 werde ich auslosen und den Gewinner bekannt geben.
3) Wenn ihr noch unter 18 Jahre sein, bräuchtet ihr die Erlaubnis eurer Eltern.
4) Ihr solltet mir folgende Frage beantworten: Was verbindet ihr mit dem zweiten Weltkrieg, oder gar mit dem Krieg? Habt ihr selbst Zeitzeugen in eurem Umfeld? Erzählt mir bitte in mehr als einem Satz, warum und wie ihr das mit dem Zweiten Weltkrieg empfindet.
5) Hinterlasst mir bitte einen Kommentar, und dort auch eine Möglichkeit euch zu erreichen.
6) Deine Adresse brauche ich dann innerhalb von 48 Stunden, falls du der Gewinner bist, damit ich dir das Buch bald schicken kann - ansonsten muss ich neu auslosen.
7) KEINE Barauszahlung, KEINE Versicherung, wenn es auf dem Postweg verschwindet.
8) Falls ihr Leser werden möchtet, gerne, dies ist ABER KEINE Bedingung. Nur solltet ihr schon mitbekommen, ob ihr gewonnen habt oder nicht.
So dann bis bald,
Eure Nicole Katharina